Home NewsStudie Studie zur Wohnungsbaukrise – Wo muss mehr gebaut werden?

Studie zur Wohnungsbaukrise – Wo muss mehr gebaut werden?

Vor allem in Großstädten wird zu wenig gebaut - in manchen Regionen schon zu viel

Wohnungsbaukrise - Wo muss mehr gebaut werden?

Die Wohnungsknappheit in Deutschland ist nach wie vor ein großes Problem, insbesondere in den Großstädten, wo das Angebot nicht mit der steigenden Nachfrage Schritt halten kann. Hohe Baukosten, Zinsen und eine schleppende Baulandausweisung verschärfen die Situation. Das IW-Wohnungsbedarfsmodell analysiert die regionale Bautätigkeit und zeigt langfristige Trends bis 2040. Die gute Nachricht: In vielen Regionen wird sogar mehr gebaut, als der Wohnungsbedarf erfordert.

Grafik, Quelle IW: Derzeit werden in 244 Regionen zu wenig (hellgelb <100%) und in 156 Regionen bereits zuviel (gelb, blaugrau >100%) Wohnungen gebaut. (Anm. d. Red.: Leider sind die Farben der Grafik von den Autoren der Studie unglücklich gewählt und dadurch irreführend)

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Nachfrage übersteigt Angebot

Der Bedarf an neuen Wohnungen und Häusern ist in vielen Städten und Gemeinden sehr hoch und wird nicht durch ein ausreichendes Wohnungsangebot gedeckt. Insgesamt werden im Zeitraum 2021 bis 2025 jährlich 372.600 neue Wohnungen benötigt. In den Jahren 2021 bis 2023 werden dagegen nur 294.400 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt. In Summe sind das rund 21 Prozent zu wenig.

In fast allen Großstädten muss die Bautätigkeit erhöht werden, um die Nachfrage zu decken. Allerdings befindet sich der Wohnungsbau aufgrund hoher Zinsen und Baukosten in einer Krise, so dass vielerorts mit einer weiteren Verschärfung des Wohnungsmangels zu rechnen ist.

Wo wurde am meisten gebaut?

In den Großstädten Regensburg, Wolfsburg und Wiesbaden wurden im Zeitraum 2021 bis 2023 bezogen auf die Einwohnerzahl die meisten Wohnungen fertiggestellt. Dort erreicht die Zahl der neu gebauten Wohnungen Spitzenwerte von 8,3, 6,4 und 6,2 Wohnungen pro 1.000 Einwohner und Jahr. In den bevölkerungsreichsten Städten Berlin und München wurden mit 16.400 bzw. 8.300 Wohnungen pro Jahr absolut die meisten Wohnungen gebaut. Bezogen auf die Bevölkerung entspricht dies hohen Durchschnittswerten von 4,6 bzw. 5,6 Wohnungen je 1.000 Einwohner und Jahr. In den sieben bevölkerungsreichsten Städten (Top-7-Städte) erreichten München (5,6) und Frankfurt am Main (4,7) die höchsten Fertigstellungszahlen je 1.000 Einwohner, während in Köln (2,7) und Stuttgart (2,4) deutlich weniger gebaut wurde. Bei den Kreisen wurden die höchsten Fertigstellungszahlen in Dahme-Spreewald (Brandenburg, 8,1), Neumarkt in der Oberpfalz (Bayern, 8,0) und Deggendorf (Bayern, 7,9) beobachtet.

Wo ist der Bedarf an neuen Wohnungen am größten?

Den höchsten Wohnungsbedarf haben derzeit die Städte Potsdam, Regensburg und Leipzig. Bezogen auf ihre Einwohnerzahl müssen dort in den Jahren 2021 bis 2025 jährlich 12,2, 10,1 bzw. 9,4 neue Wohnungen je 1.000 Einwohner gebaut werden, um den Wohnungsbedarf zu decken. Unter den Top-7-Städten haben Berlin (8,7), Frankfurt am Main (7,7) und Köln (7,3) den höchsten Wohnungsbedarf. In absoluten Zahlen entspricht dies 31.300, 5.700 bzw. 7.500 neuen Wohnungen pro Jahr.

Neben den Großstädten zeigen sich die größten Bedarfe vor allem in Bayern und im brandenburgischen Umland von Berlin. Die drei Landkreise Groß-Gerau, Dachau und Freising führen das Ranking für den Zeitraum 2021 bis 2025 mit Werten von 7,8, 7,6 und 7,5 Wohnungen pro 1.000 Einwohner und Jahr an. Die hohen Bedarfe lassen sich vor allem durch ein starkes (prognostiziertes) Bevölkerungswachstum, hohe verfügbare Einkommen und geringe Leerstände erklären.

Wo ist die Lücke zwischen Bedarf und Bautätigkeit am größten?

Die Gegenüberstellung von Wohnungsbedarf und realisierter Bautätigkeit zeigt, dass in den kreisfreien Städten Wuppertal, Jena und Oberhausen das Wohnungsdefizit am größten ist. Dort wurden im Zeitraum 2021 bis 2023 nur 21 Prozent, 23 Prozent bzw. 24 Prozent der benötigten Wohnungen gebaut. Unter den Top-7-Städten war der Wohnungsbau in München am erfolgreichsten. Hier erreichte das Verhältnis der Fertigstellungen zum Wohnungsbedarf einen Wert von 93 Prozent. Dennoch wurden auch hier nicht genügend Wohnungen fertiggestellt, um den Bedarf der Bevölkerung zu decken. Dies hat zur Folge, dass ein Teil des Bedarfs nicht realisiert wird, Preise und Mieten steigen und ein Teil des Bedarfs nicht in der Kernstadt, sondern im Umland gedeckt wird. Am größten ist die Lücke zwischen Bedarf und Bautätigkeit in Köln (37%), Leipzig (42%) und Stuttgart (43%). In diesen Städten wird die Wohnungsknappheit daher kurzfristig hoch bleiben, was zur Folge hat, dass viele Haushalte z.B. zur Eigentumsbildung in Umlandgemeinden abwandern und Zuzügler aus dem Ausland und dem Inland ebenfalls auf Standorte in den Ballungsräumen ausweichen müssen.

Wo muss die Bautätigkeit in Zukunft am stärksten ausgeweitet werden?

Langfristig wird der Wohnungsbedarf aufgrund der geringeren Bevölkerungsdynamik zurückgehen. Im Zeitraum 2026 bis 2040 sinkt der jährliche Bedarf bundesweit auf 257.400 neue Wohnungen. Dies entspricht einem Rückgang um 31 Prozent gegenüber dem aktuellen Stand von 372.600 (2021 bis 2025). Von diesem Rückgang sind die meisten Kreise (366 von 400) und fast alle kreisfreien Großstädte (68 von 70) betroffen. Dennoch müssen 29 Prozent aller kreisfreien Städte und Landkreise (117 von 400) und die Hälfte der kreisfreien Großstädte (36 von 70) ihre aktuelle Bautätigkeit noch ausweiten, um den langfristigen Wohnungsbedarf decken zu können.

Den höchsten langfristigen Wohnungsbedarf haben die Städte Berlin, Regensburg und Augsburg, wo im Zeitraum 2026 bis 2040 jährlich 6,7, 6,1 bzw. 6,1 neue Wohnungen je 1.000 Einwohner bezogen auf die heutige Bevölkerung gebaut werden müssen.

Unter den kreisfreien Großstädten ist die Lücke zwischen langfristigem Bedarf und aktueller Bautätigkeit in Wuppertal (31 %), Oberhausen (38 %) und Duisburg (45 %) am größten. Hier findet seit Jahren kaum Bautätigkeit statt, was aufgrund der schwachen Bevölkerungsentwicklung und des hohen Wohnungsleerstandes auch sinnvoll ist. Allerdings ist die Bautätigkeit zu gering, um den Wohnungsbestand durch Ersatzneubauten attraktiv zu halten und die leicht wachsende und alternde Bevölkerung ausreichend mit Wohnraum zu versorgen.

Bei den Top-7-Städten zeigt sich, dass zwar alle ihren aktuellen Bedarf nicht decken können, aber in den Städten Frankfurt, Düsseldorf und München der Wachstumsdruck so stark nachlassen wird, dass sie mit ihrem derzeitigen Wohnungsneubau langfristig ausreichend neue Wohnungen bauen können. Dies gilt allerdings nur dann, wenn ein nennenswerter Teil der innenstadtnahen Nachfrage dieser Städte durch Ausweichreaktionen aus den dynamisch wachsenden Umlandkreisen und dem gesamten Ballungsraum aufgefangen wird.

Fazit

Aus der Untersuchung des IW-Wohnungsbedarfsmodells lassen sich einige wichtige Schlussfolgerungen ziehen:

1. Ungleichgewicht zwischen Bedarf und Bautätigkeit

Obwohl in Deutschland jährlich rund 372.600 neue Wohnungen benötigt werden, liegt die Bautätigkeit in den Jahren 2021 bis 2023 mit 294.400 Wohnungen deutlich darunter. Damit kann der Bedarf vielerorts nicht gedeckt werden, was zu Wohnungsknappheit und steigenden Miet- und Immobilienpreisen führt.

2. Regionale Disparitäten

Die regionalen Unterschiede sind erheblich. Während in Städten wie Regensburg, Wolfsburg und Wiesbaden relativ viele Wohnungen gebaut wurden, bleiben andere Städte wie Wuppertal, Jena und Oberhausen weit hinter ihrem Bedarf zurück. Die Bautätigkeit konzentriert sich häufig auf Städte mit hoher wirtschaftlicher Dynamik, während ländliche Regionen und strukturschwache Städte eher vernachlässigt werden.

3. Langfristiger Rückgang der Wohnungsnachfrage

Zwischen 2026 und 2040 wird der jährliche Wohnungsbedarf aufgrund der demografischen Entwicklung auf rund 257.400 Wohnungen sinken. Dennoch müssen rund 29 Prozent der deutschen Städte und Landkreise ihre Bautätigkeit ausweiten, um den langfristigen Bedarf zu decken.

4. Herausforderungen durch hohe Baukosten und Zinsen

Die aktuelle Wohnungsbaukrise ist stark geprägt von hohen Baukosten und gestiegenen Zinsen. Diese erschweren es vielen privaten Bauherren, ihre Wohnbauvorhaben zu realisieren. Für viele Haushalte wird der Traum vom Eigenheim unerreichbar, was den Druck auf den Mietwohnungsmarkt weiter erhöht.

5. Zersiedelung in einigen Regionen

Während in den Großstädten ein erheblicher Wohnungsmangel herrscht (hellgelb), werden in einigen ländlichen Regionen mehr Wohnungen gebaut, als tatsächlich benötigt werden (gelb, blaugrau). Dies kann langfristig zu strukturellem Leerstand führen und die wirtschaftliche Stabilität dieser Regionen gefährden.

6. Politischer Handlungsbedarf

Die Studie macht deutlich, dass es in den kommenden Jahren verstärkter politischer und wirtschaftlicher Interventionen bedarf, um dem Wohnungsmangel zu begegnen. Dazu gehören die Förderung von Bauvorhaben, die Bereitstellung von Bauland und Reformen zur Senkung der Baukosten, wie z.B. der Einsatz serieller und modularer Bauweisen.

7. Bedeutung des Umlandes

In vielen Großstädten wird ein Teil des Wohnungsbedarfs durch das Umland gedeckt. Dies gilt vor allem für Städte wie München und Frankfurt, wo das Wachstum des Umlandes zur Entlastung der Zentren beiträgt. Langfristig müssen daher auch regionale Lösungen zur Förderung des Wohnungsbaus gefunden werden, die die gesamte Metropolregion einbeziehen.

Die Studie unterstreicht damit die Dringlichkeit, den Wohnungsbau in Deutschland anzukurbeln, aber auch die Notwendigkeit, regionale Unterschiede und strukturelle Herausforderungen zu berücksichtigen.

IW-Report Wohnungsbedarfsmodell Download

Der IW-Report stellt die aktuellen Ergebnisse des IW-Wohnungsbedarfsmodells für die 400 Kreise und kreisfreien Städte vor und zeigt, an welchen Standorten die aktuelle Bautätigkeit wie stark vom Wohnungsbedarf abweicht. Darüber hinaus werden die regionalen Wohnungsbedarfe bis zum Jahr 2040 dargestellt, die deutlich machen, dass jede zweite Großstadt ihre Bautätigkeit auch langfristig ausweiten muss, um ihre Bevölkerung mit ausreichend Wohnraum zu versorgen.

Deschermeier, Philipp / Henger, Ralph / Sprenger, Julia, 2024, Zunehmende Marktanspannung in vielen Großstädten. Aktuelle Ergebnisse des IW-Wohnungsnachfragemodells, IW-Report, Nr. 39, Köln.

Bild von Alfred Derks auf Pixabay

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